Die PDFs zeigen von mir erstelltes und verwendetes Unterrichtsmaterial aus den Jahren 2022 und 2023. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit oder inhaltlichen Gleichlauf mit Materialien anderer Dozenten. Das Material steht zu Informations- und Übungszwecken zur freien Verfügung, bitte lernen Sie nicht ausschließlich mit den hier dargestellten Folien und Fällen, sondern beachten Sie die Hinweise Ihrer Dozenten, leihen oder kaufen Sie eigene, aktuelle Lehrbücher und Skripten und besuchen Sie aufmerksam Ihre Lehrveranstaltungen.
Einführung in die Rechtsanwendung - Begrüßung, Ermessen und ein erster Fall
Bescheide, Fortsetzung des ersten Falles anhand der Bescheidtechnik
Bescheiderstellung anhand des ersten Falles, Selbstkorrektur und ein weiterer Fall zur gemeinsamen Lösung (Fall 1, hier).
Vorträge im Fach Rechtsanwendung
Der öffentlich-rechtliche Vertrag
Sofortige Vollziehbarkeit und Lösung Oehlmann
Der erste umfangreiche Fall zur gemeinsamen Lösung. Ein Ölunglück in Revonnah.
Der zweite umfangreiche Fall zur gemeinsamen Lösung. Prostitution in Hannover.
Frage: Welche Rechtsquellen kennen Sie und was ist eine Rechtsquelle?
Mögliche Antwort: Rechtsquellen sind nach der modernen, im Jahre 1929 von Alf Ross veröffentlichten Auffassung nicht der Entstehungsgrund, sondern der „Erkenntnisgrund für etwas als positives Recht“. Bei Rechtsquellen geht es nicht um den materiellen Inhalt, sondern um die formelle Entstehung von Rechtssätzen. Allgemein gibt es in der Rechtsquellenlehre nur zwei hauptsächliche Rechtsquellen, nämlich Gesetze und Gewohnheitsrecht. Zu den stets schriftlich abgefassten Gesetzen zählen auch andere Rechtsnormen wie Verordnungen oder Satzungen, sofern sie Außenwirkung erzeugen. Gewohnheitsrecht ist ungeschriebene, aber ständige, gleichmäßige und allgemeine Übung im Rechtsverkehr. Aber auch Verwaltungsakte, Verträge oder Urteile sind Rechtsquellen mit der Einschränkung, dass sie eine auf einen Einzelfall und auf die Beteiligten beschränkte Rechtswirkung erzeugen. Die Rechtsquellenlehre untersucht, wie Recht zur Geltung gebracht wird und in welchen Formen es auftreten kann. Dabei kann sich Recht von oben ausbreiten oder von unten wachsen, wobei das geschriebene Recht dem Willen eines staatlichen Gesetzgebers und das ungeschriebene Recht den Kräften der Gesellschaft Ausdruck verleiht.
Frage: Was ist ein wensentlicher Unterschied zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht?
Mögliche Antwort: Das deutsche Recht wird in das öffentliche Recht und das Privatrecht eingeteilt. Das öffentliche Recht behandelt die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Gemeinwesen und die Rechtsbeziehungen der Bürger zum Staat, zu den Gemeinden usw. Das Privatrecht regelt die Beziehungen der Menschen untereinander. Ob das Privatrecht vom Öffentlichen Recht abgegrenzt werden kann, ist eine strittige Frage, deren Beantwortung im Hinblick auf die Wahl des zuständigen Rechtswegs bei Streitigkeiten aber absolut notwendig; das heißt, ob die Zuständigkeit bei Verwaltungsgerichten oder bei den ordentlichen Gerichten liegt. Aus diesem Grund bestehen gegenwärtig zwei verschiedene Ansätze bzw. Abgrenzungstheorien, um die Abgrenzung von Privatrecht zum Öffentlichen Recht zu vollziehen und die jeweiligen Gebiete zuordnen, einerseits die sog. Subjektstheorie, andererseits die sog. Subordinationstheorie.
Gemäß der modifizierten Subjektstheorie (auch „Sonderrechtstheorie“ oder „Zuordnungstheorie“ genannt), welche auf F. J. Wolff zurückgeht, ist immer dann Öffentliches Recht gegeben, wenn die betroffene Gesetzesnorm ausschließlich einen Hoheitsträger berechtigt, beziehungsweise verpflichtet und zuzuordnen ist.
Frage: Welche Auslegungsmethoden kennen Sie?
Mögliche Antwort: Um die Bedeutung des Rechtssatzes eindeutig ermitteln zu können haben sich vier Methoden der Auslegung manifestiert, die grammatikalische, systematische, historische und teleologische Auslegung. Umstritten ist, ob es sich bei der verfassungskonformen Auslegung und der Rechtsvergleichungsauslegung um Auslegungsmethoden im klassischen Sinne handelt.
Frage: Worum geht es beim Abstraktionsprinzip, worum beim Trennungsprinzip?
Mögliche Antwort: Das Trennungsprinzip besagt, dass zwischen dem sog. Verpflichtungsgeschäft und dem Verfügungsgeschäft unterschieden werden muss. Verpflichtungsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte, durch die eine Verpflichtung zur Leistung begründet wird, während Verfügungsgeschäfte auf die Änderung der Rechtslage selbst gerichtet sind. Das Abstraktionsprinzip stellt eine Erweiterung des Trennungsprinzips dar. Es besagt, dass ein Verfügungsgeschäft grundsätzlich wirksam ist, selbst wenn das Verpflichtungsgeschäft unwirksam ist und umgekehrt. Das dient der Sicherheit im Rechtsverkehr.
Frage: Was kann unter Privat- und Parteiautonomie verstanden werden?
Mögliche Antwort: Privatautonomie ist das Recht, seine privaten Rechtsverhältnisse nach eigener Entscheidung zu gestalten. Sie entspricht dem Ideal, in einer freien Gesellschaft nach seinem Willen selbstverantwortlich zu handeln. Privatautonomie äußert sich im Zivilrecht z.B. in der Vertragsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit, der Eigentumsfreiheit, der Eheschließungsfreiheit und der Testierfreiheit. Der Einzelne ist berechtigt, Rechte und Pflichten zu begründen, zu ändern oder aufzuheben. Allgemein ist Privatautonomie also ein Sammelbegriff für die zivilrechtliche Abschluss- und Gestaltungsfreiheit. In engen Grenzen kann die Privatautonomie durch Gesetz, z.B. die §§ 134, 138 BGB eingeschränkt werden. Nicht synonym sollte der Begriff der Parteiautonomie gebraucht werden, der zwar nicht einheitlich verwendet wird, aber i.d.R. auf die Rechtswahlfreiheit von Personen bei Fällen mit internationalem Bezug rekurriert.
Frage: Was ist unter Gewaltenteilung zu verstehen, wie äußert sich diese?
Mögliche Antwort: Die staatliche Gewalt ist in mehrere Gewalten aufgeteilt: Die legislative (gesetzgebende), die exekutive (vollziehende) und die judikative (Recht sprechende) Gewalt sollen sich gegenseitig kontrollieren und staatliche Macht begrenzen und Missbrauch verhindern.
Zur Judikative gehören Gerichte und Richter. Zur Einhaltung der Gewaltenteilung ist mithin wichtig, dass Gerichte unabhängig sind, also lediglich durch das Gesetz vorgeschrieben wird, was richtig und was falsch ist, nicht etwa durch die ausübende oder gesetzgebende Gewalt direkt. Andere Namen für die Judikative sind auch: Rechtsprechung oder rechtsprechende Gewalt.
Die Legislative ist die gesetzgebende Gewalt. Sie steht in einer repräsentativen Demokratie mit Gewaltenteilung dem Parlament zu. In der Bundesrepublik Deutschland ist das der Bundestag. Die wichtigsten Aufgaben der gesetzgebenden Gewalt sind die Gesetzgebung und die Kontrolle der Bundesregierung, der Exekutive. Die Exekutive ist die vollziehende oder ausübende Gewalt. Sie ist dabei an das geltende Recht gebunden.
Die Exekutive umfasst die Regierung und die Verwaltung, welcher in erster Linie die Ausführung der Gesetze anvertraut ist.
Frage: Was ist charakteristisch für einen Verwaltungsakt?
Mögliche Antwort: Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
Frage: Was ist Ermessen im verwaltungsrechtlichen Sinne?
Mögliche Antwort: Der Verwaltung als Teil der Exekutive kommt die Grundaufgabe zu, Gesetze im Einzelfall zu vollziehen. Damit verwirklicht sie eine ihr durch Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG zugewiesene Funktion im Gewaltenteilungsgefüge neben der Gesetzgebung und Rechtsprechung. Der „Vollzug“ von Gesetzen verlangt nach einer juristisch handhabbaren Methode, die sich in dem überkommenen Grundmodell der Gesetzesanwendung widerspiegelt: Zu Beginn der Entscheidungsfindung sind dabei die relevanten Tatsachen und die einschlägigen Rechtsnormen durch die Verwaltung zu ermitteln. Im Anschluss daran hat sie regelmäßig die Norm auszulegen, um den Inhalt des gesetzlichen Tatbestands zu bestimmen. Stellt die Behörde dabei fest, dass der Sachverhalt vom Tatbestand der Norm umfasst ist, bestimmt sie anschließend deren Rechtsfolge (Kment/Vorwalter, Beurteilungsspielraum und Ermessen, JuS 2015, 193).
Ob der Behörde tatsächlich ein Ermessen eingeräumt ist, muss ebenfalls durch Auslegung ermittelt werden. Als wichtigstes Indiz ist hierbei der Wortlaut der Norm heranzuziehen. Für ein Ermessen spricht die Verwendung der Wörter „kann“, „darf“, „ist befugt“. Soll-Vorschriften bringen demgegenüber zum Ausdruck, dass die Exekutive im Regelfall gebunden ist, die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge auch zu treffen (Kment/Vorwalter, Beurteilungsspielraum und Ermessen, JuS 2015, 193 (198f.)).
In aller Regel sind Ermessensentscheidungen nicht abschließend und vollumfänglich gerichtlich überprüfbar, vgl. § 114 VwGO:
1Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. 2Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
Vielmehr wird kontrolliert, ob sich die Verwaltung von den richtigen Kriterien bei der Ermessensentscheidung hat leiten lassen und ob nicht möglicherweise „bessere“, also förderlichere oder weniger eingriffsintensive Entscheidungen zur Verfügung gestanden haben und ob Grenzen überschritten worden sind. Typisch für die Überprüfung einer Ermessensentscheidung und damit konsequenterweise auch schon für das Treffen einer solchen Entscheidungen können die Leitfragen
1. Wird ein legitimer Zweck verfolgt?
2. Ist die Entscheidung geeignet, diesen Zweck zu fördern?
3. Ist es erforderlich, die Entscheidung zu treffen? und
4. Ist es auch Verhältnismäßig im engeren Sinne (manchmal auch: angemessen) die Entscheidung so zu treffen?
dienen.
Teil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Rechtsstaatsprinzip macht es damit erforderlich, dass jede Verwaltungsentscheidung auf ihre Verhältnismäßigkeit hin überprüft wird.
Frage: Wo sind wesentliche Unterschiede zwischen Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten zu sehen?
Mögliche Antwort: Die Rücknahme und der Widerruf sind Instrumente der Behörde, mit denen sie entweder selbstinitiiert oder auf Antrag des Bürgers, Verwaltungsakte außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens aufheben kann. Bedeutsam ist, dass sowohl die Rücknahme als auch der Widerruf nach Eintritt der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes, d.h. nach Unanfechtbarkeit seine Aufhebung ermöglichen. Die Rücknahme dient grundsätzlich der Korrektur rechtswidriger Entscheidungen – wohingegen der Widerruf auf die Anpassung eines Verwaltungsaktes an eine veränderte Sach- oder Rechtslage gerichtet ist. Zu § 48 VwVfG greifen Sie damit bei rechtswidrigen Verwaltungsakten; § 49 VwVfG hingegen ist anzuwenden, wenn Sie es mit einem rechtmäßigen Verwaltungsakt zu tun haben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes (ergibt sich aus § 49 Abs. 2 Nrn. 3, 4 VwVfG). Sofern der Verwaltungsakt erst später rechtswidrig wird, weil sich die Sach- oder Rechtslage geändert hat und dies aus besonderen Gründen auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkt (z.B. rückwirkende Aufhebung des rechtmäßigen Gesetzes, auf dem der Verwaltungsakt beruht, durch den Gesetzgeber), richtet sich die Aufhebung nach § 48 VwVfG und nicht nach § 49 VwVfG. Grund dafür ist, dass der ursprünglich rechtmäßige Verwaltungsakt rückwirkend rechtswidrig wird. Eine Besonderheit gilt es bei Dauerverwaltungsakten (Wirkung für die Zukunft) zu beachten: Sind sie bei Erlass rechtmäßig und werden sie durch eine später eintretende Änderung der Rechts- oder Sachlagen rechtswidrig, richtet sich die Aufhebung nach dem BVerwG und Teilen der Literatur ebenfalls nach § 48 VwVfG.
Frage: Was ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung?
Mögliche Antwort: Die sofortige Vollziehung setzt einen wirksamen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG voraus. Sie betrifft die Wirkung von Rechtsbehelfen gegen wirksam erlassene Verwaltungsakte. Grundsätzlich haben Widerspruch und Anfechtungsklage gem. § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO gegenüber einem Verwaltungsakt sog. aufschiebende Wirkung, auch Suspensiveffekt genannt. Die anordnende Behörde kann den Verwaltungsakt nicht vollziehen, solange über den vom Adressaten eingelegten Rechtsbehelf nicht entschieden wurde. Mit Hilfe der nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO gesetzlich angeordneten aufschiebenden Wirkung von gegen belastenden Verwaltungsakten eingelegten Rechtsbehelfen kann der Adressat die Rechtmäßigkeit prüfen lassen, ohne dass er eine Vollstreckung durch die Behörde befürchten muss. Diese aufschiebende Wirkung entfällt, sobald der angegriffene Verwaltungsakt „sofort vollziehbar“ ist. Hierunter versteht man Verwaltungsakte, gegen die eingelegte Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben. Sobald ein Verwaltungsakt „sofort vollziehbar“ ist, findet § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO keine Anwendung.
Frage: Was ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung?
Mögliche Antwort: Die Umstände, welche einen VA sofort vollziehbar machen, sind in § 80 Abs. 2 Nr. 1 – 4 VwGO geregelt.
I. Sofortige Vollziehung durch Gesetz
In § 80 Abs. 2 Nr. 1 – 3 VwGO sind die Fälle aufgeführt, in denen das Gesetz bereits die sofortige Vollziehbarkeit von bestimmten Verwaltungsakten festlegt.
II. Sofortige Vollziehung durch Anordnung der Behörde
In § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist der Fall aufgeführt, in welchem die Behörde die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes von sich aus anordnen kann.
III. Prüfschema für Anordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO
Zu prüfen ist die Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Diese müsste auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruhen sowie formell als auch materiell rechtmäßig sein.
1. Ermächtigungsgrundlage
Nach dem in Art. 20 Abs. 3 GG festgelegten Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes bedarf jede den Bürger belastende Maßnahme der Verwaltung einer gesetzlichen Grundlage, der sog. Ermächtigungsgrundlage. Die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes einschlägige Ermächtigungsgrundlage für die Behörde ist der § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
2. Formelle Rechtmäßigkeit
Weiterhin müsste die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig erlassen worden sein.
a. Zuständigkeit
Zuständig für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes ist nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Damit richtet sich die Zuständigkeit für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach der Zuständigkeit zum Erlass des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes.
aa. örtliche Zuständigkeit
Wenn nach dem zu bearbeitenden Fall keine besonderen Gesetze einschlägig sind, aus denen sich die örtliche Zuständigkeit der den VA erlassenden Behörde ergibt, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 3 VwVfG.
bb. sachliche Zuständigkeit
Die sachliche Zuständigkeit richtet sich in der Regel nach dem Gesetz, welches auch für die Ermächtigungsgrundlage für den zu erlassenden Verwaltungsakt einschlägig ist.
b. Verfahren
Fraglich ist, ob der Adressat des für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsaktes vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung von der erlassenden Behörde angehört werden muss, nach herrschender Auffassung ist eine Anhörung vor der sofortigen Vollziehung nicht erforderlich. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hat, ebenso wie der ihr zugrundeliegende Verwaltungsakt, für den Adressaten eine belastende Wirkung. Grundsätzlich muss nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes der Betroffene angehört werden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung beinhaltet jedoch keine eigenständige Regelung i.S.d. § 35 VwVfG und stellt daher selbst keinen Verwaltungsakt dar. Sie setzt vielmehr einen bereits bestehenden Verwaltungsakt voraus. Aus diesem Grunde könnte sich das Erfordernis einer Anhörung vor Erlass einer sofortigen Vollziehung allenfalls aus einer analogen Anwendung des § 28 Abs. 1 VwVfG ergeben.
c. Form
Die formalen Voraussetzungen für den Erlass einer Anordnung der sofortigen Vollziehung müssen ebenfalls erfüllt sein.
Das nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für die Anordnung der sofortigen Vollziehung notwendige öffentliche Interesse ist in der Anordnung nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO schriftlich zu begründen.
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nicht mit der nach § 39 VwVfG erforderlichen Begründung des zugrundeliegenden und für den Adressaten belastenden Verwaltungsaktes identisch. Die nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO erforderliche Begründung geht über die des Ursprungserlassgrundes hinaus, sie beeinhaltet eigenständige inhaltliche Elemente, aus welchen sich der Grund ergibt, warum der Verwaltungsakt für sofort vollziehbar erklärt wird.
3. Materielle Rechtmäßigkeit
Schließlich müsste die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch materiell rechtmäßig erlassen worden sein. Dies ist der Fall, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung im überwiegenden Interesse eines Beteiligten oder im öffentlichen Interesse liegt.
a. Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, welcher für sofort vollziehbar erklärt werden soll
Im ersten Schritt wird geprüft, ob der Verwaltungsakt, welcher für sofort vollziehbar erklärt werden soll, rechtmäßig ist. Dies aus dem Grunde, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes, dem es schon an der Rechtmäßigkeit fehlt, niemals im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten liegen kann. Dies ergibt sich auch aus Art. 20 Abs. 3 GG, wonach die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden ist. An dieser Stelle ist somit zu prüfen, ob der erlassene Verwaltungsakt, welcher für sofort vollziehbar erklärt werden soll, auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruht sowie formell und materiell rechtmäßig zustandegekommen ist.
b. Interessenabwägung
Hat die Prüfung ergeben, dass der Verwaltungsakt rechtmäßig ist, erfolgt der zweite Schritt der Prüfung. In diesem Schritt erfolgt die Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse oder dem überwiegenden Interesse eines Beteiligten an der sofortigen Vollziehung auf der einen Seite und dem Interesse des Betroffenen an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung auf der anderen Seite.
Frage: Was passiert bei einem Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO?
Mögliche Antwort: Bei dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO geht es um das Ersuchen eines Adressaten eines sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes, die von der Behörde nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO veranlasste sofortige Vollziehung wieder aufzuheben. Damit ist der § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO der wichtigste Anwendungsfall des § 80 Abs. 5 VwGO. Ein Gericht wird die sofortige Vollziehung aufheben, wenn der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO zulässig und begründet ist. An dieser Stelle bleibt schon festzuhalten, dass der Antrag nach § 80 V S. 1 Alt. 2 VwGO jedenfalls dann begründet ist, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde keine Ermächtigungsgrundlage hat oder formell oder materiell rechtswidrig war
Frage: Wir wird die Zulässigkeit eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO geprüft?
Mögliche Antwort: Ein umfassendes Prüfschema könnte wie folgt aufgebaut sein.
A. Sachentscheidungsvoraussetzungen
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 VwGO
II. Ordnungsgemäßer Antrag
§§ 81, 82 VwGO analog (mangels spezieller Regelung nach §§ 81,82 VwGO)
III. Statthafte Antragsart, § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO
Hier ist die Abgrenzung zu § 123 Abs. 1 VwGO zu verorten.
a. Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Var. 1 VwGO gem. § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1 VwGO
b. Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO gem. § 80 V S. 1 Var. 2 VwGO
c. Feststellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch bzw. Anfechtungsklage in den Fällen (drohender) faktischer Vollziehung gem. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO analog
IV. Einlegung eines nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfs
Erforderlich ist die Einlegung eines nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfs, der zur aufschiebenden Wirkung führen soll.
V. Antragsbefugnis § 42 Abs. 2 VwGO analog
VI. Beteiligten- und Prozessfähigkeit des Antragstellers und Antragsgegners, §§ 61, 62 VwGO
VII. Zuständigkeit des angerufenen Gerichts
(Gericht der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO)
VIII. Allgemeines Rechtschutzbedürfnis für den Antrag
Rechtsbehelf des Antragstellers darf keine a.W erzeugen (Fälle des § 80 Abs. 2 VwGO) bzw. vorheriger Antrag bei der Behörde nach § 80 Abs. 4 VwGO (nur in Fällen nach §§ 80 Abs. 6, Abs. 2 Nr. 1 VwGO)
Ein Antrag zunächst nach § 80 Abs. 4 VwGO auf Aussetzung der Vollziehung vor § 80 Abs. 5 VwGO bei der Behörde, ist nicht erforderlich. Nach § 80 Abs. 6 VwGO ist ein solcher Antrag nur für Fälle nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO.
Der Verwaltungsakt muss also noch anfechtbar, noch nicht erledigt sein; Widerspruch/ Anfechtungsklage sind nicht offensichtlich unzulässig (Bestandskraft).
ggf. B. Ergebnis
Frage: Wir wird die Begründetheit eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO geprüft?
Mögliche Antwort:
B. Begründetheit
Der Antrag ist begründet, wenn er sich gegen den richtigen Beklagten richtet und bei einer summarischen Prüfung das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung das Vollzugsinteresse überwiegt. Dies richtet sich nach den Erfolgsaussichten der Hauptsache. Das Gericht trifft hierbei eine originäre Entscheidung.
I. Passivlegitimation, § 78 VwGO analog
Der Antrag muss sich gegen den richtigen Rechtsträger richten, also die handelnde Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen bzw. den Sofortvollzug angeordnet hat.
II. Summarische Prüfung bei Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 – 3 VwGO
Der Antrag ist begründet, wenn bei einer summarischen Prüfung das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung das Vollzugsinteresse überwiegt.
Diese Interessensabwägung orientiert sich in erster Linie an der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Dabei ist die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu überprüfen. Das Aussetzungsinteresse überwiegt das Volzugsinteresse so nach summarischer Prüfung die Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet ist.
III. Im Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bei Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist zusätzlich nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes erforderlich, welches schriftlich begründet werden muss. Der Antrag ist begründet, wenn der VA rechtswidrig war oder das Aussetzungsinteresse des Betroffenen das öffentliche Interesse oder das Interesse eines Dritten an der Anordnung der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dabei ist zunächst die Formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu prüfen (Zuständigkeit der Behörde; Verfahren; Schriftform nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO mit Ausnahmen nach S. 2; hinreichende Begründung des Vollzugsinteresses nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO).
C. Ergebnis